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Ein Blick auf...

Stolpersteine in unserer Nähe

„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, sagt der Kölner Bildhauer Gunter Demnig. Aus diesem Grund widmet er sich seit 1993 dem Projekt „Stolpersteine“, in dem er an die von den Nationalsozialisten „vertriebenen, verfolgten und ermordeten Juden, Sinti und Roma, politischen Widerständler, Homosexuellen, Zeugen Jehovas und Euthanasieopfer“ (1) erinnert.

Jede der über 400 in die Gehwege unserer Stadt eingearbeiteten 10 mal 10 Zentimeter großen Messingtafeln soll die Betrachter an die Opfer des NS-Diktatur in unserem Umfeld erinnern. – Vier der Schicksale, die sich hinter den knappen Daten auf den Steinen verbergen, sollen an dieser Stelle stellvertretend für die vielen unschuldig Verfolgten beschrieben werden.

Am bekanntesten dürfte im Essener Westen Heinrich Hirtsiefer (1876 – 1941) sein. Hirtsiefer war als Arbeiterkind in der Kronenberg-Siedlung aufgewachsen, lernte dann bei Krupp Schlosser und engagierte sich als christlicher Sozialpolitiker. Er wurde als Stadtverordneter und später als Minister für Volkswohlfahrt in Preußen geschätzt. Von 1925 bis zu seiner Absetzung im Jahre 1935 war er sogar stellvertretender Ministerpräsident. Für die Nazis war er damit jedoch Repräsentant eines verhassten politischen Systems. Sie ließen ihn in „Schutzhaft“ nehmen, demütigten ihn öffentlich und sperrten ihn zunächst ins Konzentrationslager Kemna und anschließend ins berüchtigte KZ Börgermoor im Emsland, wo er brutal misshandelt wurde. Weil viele Freunde sich für ihn einsetzten und sich damit selbst in Lebensgefahr brachten, kam er zwar frei, durfte aber Essen nicht mehr betreten. Er starb in Berlin an den Folgen seiner Misshandlungen.

Heinrich Imbusch (1878 – 1945) war Bergarbeiter, christlicher Gewerkschaftler und aktiver Zentrumspolitiker, der mehrmals in die Nationalversammlung gewählt wurde. Seit 1933 war er ohne Unterbrechung auf der Flucht. Er versteckte sich zunächst im Saargebiet, von wo ein eingeschleustes Rollkommando der SA erfolglos versuchte, ihn nach Deutschland zu entführen und dabei verletzte. Von dort floh er nach Luxemburg und später nach Brüssel, von wo er 1942 illegal nach Essen zurückkehrte und versteckt lebte. Dank eines mutigen Geistlichen wurde er in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges illegal im Elisabeth Krankenhaus aufgenommen und nach seinem Tod heimlich auf dem Parkfriedhof bestattet, ohne dass die Gestapo davon erfuhr.

Pater Theodor Hartz (1887 – 1942) war 15 Jahre Direktor bei den Salesianern Don Boscos in Essen Borbeck. 1941 wurde das St.-Johannes Stift der Salesianer von der Gestapo geschlossen. Der Grund: Die erfolgreiche und beliebte Jugendarbeit bei den „Padders“, wie sie im Volksmund genannt wurden, war den faschistischen Jugendorganisationen ein Dorn im Auge. Viele der dort Arbeitenden erhielten ein Aufenthaltsangebot für das Salesianerhaus Helenenberg bei Trier.

Da Theodor Hartz von Trier aus aber weiter Rundbriefe an die bisherigen Mitarbeiter und Gönner des St.-Johannes-Stiftes versendete, wurde er festgenommen und im Konzentrationslager Dachau inhaftiert, wo er im August 1942 ermordet wurde.

Nelli Neumann (1886 – 1941) steht an dieser Stelle stellvertretend für die vielen Jüdinnen und Juden, die während der faschistischen Schreckensherrschaft aus Essen deportiert und in Vernichtungslagern ermordet wurden. Obwohl ihre Familie jüdischer Abstammung war, wurde Nelli evangelisch getauft.

Sie promovierte später in Mathematik und schloss ihre akademische Ausbildung mit einem Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien ab. Sie war engagierte Frauenrechtlerin, die auch der Deutschen Friedensgesellschaft angehörte. Seit 1916 unterrichtete sie an der Essener Luisenschule. Trotz ihres evangelischen Glaubens wurde N. Neumann von den Nazis 1933 als jüdisch befunden. 1941 wurde sie nach Minsk deportiert und dort 1942 umgebracht.

Jeder einzelne Stolperstein erzählt von erschütternden Schicksalen, die nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Umso entsetzlicher ist es, dass im letzten Jahr in Steele drei Stolpersteine, die an die jüdische Familie Kongrecki erinnern, aus dem Pflaster herausgerissen und geschändet wurden. Aktuell wurden am 8. November, einen Tag vor dem Gedenken an die Pogromnacht des Jahres 1938, im Südviertel zwei weitere Stolpersteinstandorte mit Farbe besprüht.

Diese Freveltaten reihen sich in die Kette antisemitischer Übergriffe ein, von denen man in letzter Zeit immer öfter lesen und hören muss und die zeigen, dass antisemitisches Gedankengut immer noch und wieder verstärkt existiert.

- Bernd Dröse -

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