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Kirchenbaugeschichte in Essen-West

Mit Luther fing es an -
Rund 130 Jahre Kirchenbaugeschichte in Essen-West

Text von Robert Welzel

Vor rund 130 Jahren, am 3. Dezember 1882, wurde die Lutherkirche eingeweiht, wenige Monate nach der Einsegnung der schon 1879-81 erbauten St. Antoniuskirche. Die Lutherkirche war das erste evangelische Gotteshaus der noch jungen Landgemeinde Altendorf im Rheinland (gegründet 1874). Sie ist ein bedeutendes Zeugnis der Gründerjahre, in denen der jetzige Essener Westen für viele Menschen eine neue Heimat wurde, angelockt durch den Bergbau und die florierende Stahlindustrie. Heute, in einer Gegenwart, die geprägt ist von schrumpfenden Gemeinden und notwendigen Kirchenschließungen, erzählen die Lutherkirche und ihre jüngeren Schwesterkirchen vom Optimismus vergangener Tage, vom Wachsen einer evangelischen Arbeitergemeinde, aber auch von schweren Notzeiten, Rückschlägen und mühseligem Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg. Christuskirche, Apostel- und Apostelnotkirche, alte und neue Melanchthonkirche, Lukaskirche und Markuskirche, keiner der Entwürfe gleicht dem anderen, nicht selten wurde Architekturgeschichte geschrieben. Vor allem verbindet diese Bauten eines: Als Orte lebendiger Glaubens- und Lebenserfahrung sind sie vielen Gemeindegliedern ans Herz gewachsen.

Schicksalsgemeinschaft

Lutherkirche und Krupp, das ist eine Schicksalsgemeinschaft. Ohne Krupp gäbe es keine Lutherkirche und schon gar nicht an diesem Standort. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Gewirr der Fabrikhallen, Werkstätten, Schornsteine und Betriebsbahngleise lagen die kurz nach der Reichsgründung bis 1874 errichteten Kolonien Schederhof in Holsterhausen und Kronenberg in Altendorf mit über 2.200 Wohnungen, in denen die Arbeiter mit ihren Familien lebten.

Die zunächst als Notwohnungen geplanten Baracken des Schederhofs mit ihren charakteristischen Außentreppen wurden bald durch Massivbauten ergänzt. Der Altendorfer Kronenberg bestand aus rasterförmigen Blöcken, die Straßen waren bis 1901 dem Alphabet nach bezeichnet. An ihnen lagen schmucklose, dreigeschossige Backsteinhäuser, in denen über 8.000 Menschen wohnten. Im Gegensatz zum Schederhof gab es hier von Anfang an Gartenflächen und Wiesen zum Bleichen der Wäsche. Beide Siedlungen verfügten über Konsum- und Bierhallen, Schulen, Gasthäuser, Märkte, Parkanlagen und Kinderspielplätze.

Der von Alfred Krupp bestimmte Bauplatz der Lutherkirche ist genau zwischen diesen nahezu autarken „Arbeiterdörfern“ platziert, unmittelbar am beschrankten Bahnübergang zum Kronenberg und dem erst 1884 angelegten Bahnhof Altendorf (später Essen-West). „Es wird berichtet, dass wenn ein Brautpaar nach der Trauung die Lutherkirche verließ und die Gleise überqueren wollte, der Schrankenwärter die Schranken herunterließ. Der Bräutigam musste sich dann mit etlichen Münzen, die er unter die jubelnde Kinderschar warf, freikaufen. Erst dann wurden die Schranken wieder hochgedreht.“

Frohnhausen entwickelte sich nach der Eingemeindung von 1901 zum zentralen Wohnstadtteil der Krupparbeiter. Benachbart zur Kirche entstanden u.a. 1907 die Meisterwohnungen an der Kerckhoffstraße und während des Ersten Weltkrieges ein monströses Ledigenheim (heute Bürohaus West) als Ersatz für ein Barackenlager. Mit dem Lutherhaus (1916 auf Kosten der Firma Krupp erbaut), dem Friedrichsbad (1912) und einer Turnhalle beherrschten weitere Kruppbauten das direkte Umfeld der Kirche.

Diaspora

Die Anfänge evangelischen Gemeindelebens in einem traditionell katholischen Umfeld waren geprägt von Armut und Dürftigkeit. Die Gemeindeglieder der 1855 gegründeten Gemeinde Borbeck, zu der auch die Evangelischen von Altendorf gehörten, hatten ihre alte Heimat verlassen und mussten nun unter Andersdenkenden in der Diaspora leben. Sie waren überwiegend "Berg- und Hüttenarbeiter", die nur mit Mühe das tägliche Brot für ihre Familien beschaffen konnten. Als erstes Gotteshaus diente die 1864 erbaute Kirche am Fliegenbusch (heute Matthäuskirche), ein schlichter Saalbau mit Emporen, der nur mittels einer landesweiten Kollekte ermöglicht werden konnte.

Durch die neuen Krupp-Kolonien stieg die Zahl der Evangelischen in Altendorf beträchtlich an, von nicht einmal 1.000 auf über 6.000! Am 31. Oktober 1875 konnte in einem notdürftig dafür hergerichteten Schullokal auf dem Kronenberg der erste Gottesdienst gefeiert werden, zwei Jahre später schlug die Geburtsstunde der Evangelischen Kirchengemeinde Altendorf, die nunmehr von Borbeck abgetrennt wurde.

Die Notwendigkeit eines Kirchenbaus stand außer Frage. Während katholische Gotteshäuser häufig von den alteingesessenen Landwirten großzügig mit Schenkungen bedacht wurden, unterstützte der Gustav-Adolph-Verein den Bau von evangelischen Kirchen in der Diaspora. Neben einem Geldbetrag stellte der Verein auch seinen Architekten August Hartel aus Krefeld zur Verfügung. Alfred Krupp schenkte der Gemeinde 1879 das nötige Baugrundstück, eine Summe von 15.000 Mark und die erforderlichen Ziegelsteine. Am 24. Juli 1881 wurde der Grundstein gelegt.

Gotik im Industriezeitalter

August Hartel entwarf ein Gotteshaus getreu dem „Eisenacher Regulativ“ von 1861. Selbst in einer Diasporagemeinde sollte Kirche auf keinen Fall „Notkirche“ sein. Das Regulativ im Sinne einer dringenden Empfehlung legte daher Standards fest, die einzuhalten waren. U.a. sollte vorzugsweise im gotischen Stil gebaut werden, der als „germanisch“ galt. Die Lutherkirche zieren noch heute Spitzbogenfenster, Strebepfeiler, Wimperge und eine schlichte Fensterrose. Aus Kostengründen wurde der Außenbau wie die Häuser des Kronenbergs und das benachbarte Pfarrhaus (1884) aus rohen Ziegeln gemauert.

Im Inneren erwies sich die Lutherkirche als typisch protestantischer Kirchenbau: Emporensaal mit 1.100 Sitzplätzen, kreuzrippengewölbter Chor, Orgel (1885) und Sängerbühne an der Rückwand. Als Tabubruch für den Essener Raum ist die erstmalige Verwendung industriell gefertigter Stahlstützen (also eines Massenprodukts!) anzusehen, wie sie sonst bei Geschäfts- und Fabrikbauten Verwendung fanden. Die schlanken Stützen trugen ein englisches Holzgewölbe. Der Kirchturm mit seinen weithin sichtbaren Zifferblättern stand in bewusster Konkurrenz zu den rauchenden Schloten der Fabrikanlagen. Sein spitzer gotischer Helm bestimmte für Jahrzehnte unverwechselbar die Silhouette der Stadt und des Stadtteils Frohnhausen.

Alte Wohltäterin

1898 schenkte die Firma Krupp ein weiteres Grundstück an der heutigen Röntgenstraße und finanzierte mehr als die Hälfte der Baukosten für eine zweite Kirche. Bei Einweihung der Christuskirche am 26. Juli 1903 hatte die Gemeinde bereits rund 24.000 Seelen, bis zur Einweihung der Apostelkirche 1913 sollte sich diese Zahl glatt verdoppeln. Selbst nach Kriegsausbruch 1914 erfreute man sich noch immer einer schier „schwindelhaften Entwicklung“ (rund 60.000 Seelen!), so dass die Pastoren weiter ab von ihrem Bezirk nur noch wenig gegrüßt wurden.

Bei seinem Entwurf der Christuskirche bediente sich der Architekt Karl Nordmann der damals populären norddeutschen Backsteingotik und maschinell gefertigter Ziegelblendsteine. Vier ähnliche Giebelfronten deuten den kreuzförmigen Grundriss schon im Außenbau an und geben der Kirche ein kompaktes Erscheinungsbild. Der seitlich angeordnete Kirchturm und die insgesamt schlichte Detailgestaltung verweisen auf eine moderne, dem Jugendstil nahe Architektursprache. Im Inneren (über 1.200 Sitzplätze) war ein Teil der Bänke winklig zur Längsachse aufgestellt worden. Auch die „praktisch angeordneten Galerien“ sollten die Sicht auf die Kanzel und den Prediger verbessern. Der mit Sichtziegeln reich gegliederte Chor mit dem Rosettenfenster öffnete sich mittels verschließbarer Arkaden zum dahinter liegenden Konfirmandensaal.

1908 schenkte die Familie Krupp der Gemeinde ein Grundstück an der Planckstraße, mitten in der im Ausbau befindlichen Siedlung Alfredshof. 1910-11 wurde hier das Wichernhaus als „Mehrzweckgebäude“ und Gottesdienststätte errichtet, ebenfalls nach einem Entwurf von Karl Nordmann. Die Apostelkirche (1912-13), in deren Innenraum wortgetreu nach dem Wiesbadener Programm Altar, Kanzel, Sängerbühne und Orgel in einer Achse hintereinander angeordnet waren, lag mitten im neu erbauten Viertel Pollerbergshof. Im Architektenwettbewerb wurde ausdrücklich eine Baugruppe aus Kirche, Pfarr- und Gemeindehaus „unter einem Dach“ verlangt. Der gekürte Entwurf des Hagener Architekten Ewald Wachenfeld gefiel u.a. wegen der geschickten Einbindung umliegender Schmuckanlagen, als auch wegen der Gestaltung des 48 m hohen Kirchturms, der an das Kruppsche Turmhaus erinnert.

Der wehrhafte Charakter der Apostelkirche (Motto auf dem Chorbogen: „Ein feste Burg ist unser Gott“) passte gut zu den Dankbarkeits- und Treuebekundungen gegenüber der „alten Wohltäterin“ Krupp und dem Kaiser. „Wir wollen danken der Firma, die immer wieder mit-hilft, daß ihre Arbeiter und Angestellten Stätten finden, an denen sie, die sonst den Krieg bereiten helfen, Frieden finden können.“, erklärte Pfarrer Peter Cürlis unverblümt in seiner Festpredigt von 1913. „Wir stehen zu unserer Firma Krupp in guten und bösen Tagen. Treue um Treue!“ Noch wenige Tage, bevor Wilhelm II. 1918 ins holländische Exil ging, erhielt er folgendes Telegramm: „1500 Männer und Frauen der evangelischen Gemeinde Essen-Altendorf ... bitten Eurer Majestät die Versicherung geben zu dürfen, daß sie mit Herz und Hand, mit ihrem Gebet und ihrer Arbeit in alter Preußentreue zu ihrem geliebten König und seinem Hause stehen bis auf den letzten Mann und die letzte Frau ...“

Feuertaufe

Die von Otto Bartning als Bausatz erdachte und 1928 als Ausstellungskirche auf der Kölner Pressa gezeigte „Stahlkirche“ wurde bis 1931 als Melanchthonkirche auf dem Holsterhauser Platz wieder errichtet. Bartning verwendete Buntglas statt gemauerter Wandflächen und Stahlstützen, die sonst für den Industrie- oder Brückenbau üblich waren. Alle Baumaterialien waren gewissermaßen „durchs Feuer gegangen“, eine Art Feuertaufe, die gleichnishaft auch auf die Gemeinde, die sich hier versammeln sollte, übertragen wurde. Die von Elisabeth Coester entworfenen Fensterflächen, gläserne Wände eines „Astralkörpers“, reichten vom Sockel bis zum Dach. Im Zentrum rief ein auf steil empor führender Himmelsbahn schwebender Engel mit gewaltigen auflohenden Flammenflügeln „zum Abendmahl des großen Gottes.“ Wohl aufgrund des Heizproblems ließ sich die Stahlkirche nach Beendigung der Kölner Ausstellung von 1928 nicht wie geplant veräußern. Auch die Kirchengemeinde Essen-West, die sich trotz der wirtschaftlich angespannten Lage für die Stahlkirche interessierte, zeigte sich zu Anfang skeptisch. Die Stimmung schlug um, als die Gemeindeverordneten an einem Gottesdienst in der Kirche teilnahmen. Die Kirche wurde der Gemeinde kosten- und lastenfrei übereignet.

Schon vier Jahre später distanzierte sich die von den Deutschen Christen beherrschte Gemeinde mehr und mehr von der expressiven künstlerischen Sprache des berühmten Kirchenbaus. Der Korpus des von Prof. Hans Wissel gestalteten Altarkreuzes wurde auf Drängen der großen Gemeindevertretung am 17. Dezember 1935 aus der Kirche entfernt. Auch ein Teil der Glasfenster erregte zunehmend Anstoß. Der Verlust der „alles überragenden“ Stahlkirche 1942 (als erstes Essener Gotteshaus fiel sie den Bomben zum Opfer) belastete dennoch wie ein Trauma die Gemeinde noch über Jahrzehnte. Ihr Stahlkreuz begleitete den in Essen stattfindenden Evangelischen Kirchentag von 1950. Noch 1961 wurde als Reminiszenz an die Stahlkirche der Lukaskirche ein nächtlich angestrahltes Kreuz auf den Glockenturm gesetzt.

Die zu einem kargen Gerippe zerschmolzene Stahlkirche wurde verschrottet, um 1946-48 im Sockelgeschoss einen würdigen großen Melanchthonkirchsaal mit Glockenturm einrichten zu können (Arch. Hans Müsse). Ende 1949 erhielt auch Frohnhausen ein erstes neues Gotteshaus, die Apostel-Notkirche. Nach dem Vorbild seiner Stahlkirche hatte Otto Bartning einen kostengünstigen Kirchenbausatz („Trümmerkirche“) entwickelt, der in verschiedenen Varianten zwischen 1948 und 1951 über 40mal in ganz Deutschland aufgebaut wurde. Die Apostel-Notkirche wurde von evangelischen Christen aus den USA gestiftet. Der schlichte Saalbau besteht aus Holznagelbindern und nichttragenden Wänden. Über einem umlaufenden Fensterband „schwebt“ der offene hölzerne Dachstuhl wie ein umgekehrter Schiffsrumpf. Erstellt wurde das Bauwerk durch freiwillige Kräfte aus der Gemeinde, Jugend, Männer und Frauen, die Ziegelsteine putzen und die Umfassungsmauern selbst aufrichten mussten.

Befreit vom Ballast der Geschichte

Das von Bomben zerfetzte und von Wind und Wetter zernagte Mauerwerk der Christuskirche ragte noch Anfang 1952 in den Ruhrgebietshimmel. Symbolträchtig war sie auf den Tag genau 40 Jahre nach ihrer Weihe am 26. Juli 1943 in einem 40minütigen Bombenangriff in Flammen aufgegangen, „uns wie eine Vorahnung des sich anbahnenden Gerichtshandelns Gottes mit unserem Volk“ (Pfarrer Friedrich Bachmann). Der 1953 eingeweihte Wiederaufbau trägt die Handschrift von Baumeister Ernst Heiderhoff, Gemeindearchitekt Reinhold Jerichow und Gemeindeamtsleiter Gerhard Douvern. Statt der Holzgewölbe und „(häßlichen) Eisensäulen“ überspannt seitdem ein von schlanken Betonpfeilern getragenes Kreuzgratgewölbe den Kirchenraum. Der Westerwälder Töpfermeister Wim Mühlendyck schuf einen die Chorwand zierenden Erlösers am Kreuz. Eine sorgfältige Außenrestaurierung der Kirche wurde im Rahmen des „Essener Konsenses“ ermöglicht. Auch im Inneren wird sie zurzeit (2012) neugestaltet.

Beim Wiederaufbau der Apostelkirche 1956-58 versuchte Reinhold Jerichow die teils unversöhnliche Architektursprache der Kaiserzeit zu mildern. Schlanke Rundstützen, die geschwungene Empore, Mosaiken und Glasgemälde (Ursula Hirsch) zeigen den Wunsch, sich vom Ballast der Geschichte zu befreien. Mit der Enttrümmerung der am 3. April 1943 ausgebrannten Lutherkirche wurde 1957 begonnen, zur Wiedereinweihung des Lutherhauses im September des darauf folgenden Jahres war zumindest der Glockenturm wieder hergestellt. Das Kirchenschiff konnte erst 1962 vollendet werden. Der Wiederaufbau ohne Emporen wird im Inneren von einer flachen Kassettendecke und Buntglasfenstern der Künstlerin Ursula Hirsch geprägt. - Seit 2009 finden die Gottesdienste im Lutherhaus und nicht mehr in der Kirche statt.

Licht und Farbe

Reinhold Jerichow erhielt 1955 nicht nur den Auftrag zum Neubau des Wichernhauses als Gemeinde- und Jugendfreizeitheim, sondern auch zur Planung der benachbarten Lukaskirche, mitten im mustergültigen Wiederaufbaugebiet Holsterhausen mit rund 4.000 Wohnungen. Die Längswände des Rechtecksaals waren als „Lichtflächen“ nach Entwürfen von Ursula Hirsch fast vollständig in Ornament-Waben (Kreuz und Weltkugel) aufgelöst, alles schwere, Erdverbundene von sich weisend. Das hinterleuchtete Altarkreuz war ebenso wie der ungewöhnlich geschwungene Kanzeldeckel zur Erbauungszeit nicht unumstritten. Angesichts der wachsenden Gemeinden seien sogar noch viele weitere Gotteshäuser erforderlich, verkündete der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Beckmann aus Anlass der Einweihung der Lukaskirche am 26.02.1961 voller Zuversicht. - Die inzwischen profanierte Lukaskirche ist nur noch als Rohbau erhalten, die künstlerische Ausstattung wurde 2012 zerstört.

Wie die Lukaskirche, so verfügt auch die Markuskirche am Postreitweg (1961-62, Architekten Wolfgang Müller-Zantop und Heinz Kalenborn) über einen freistehenden Glockenturm nach italienischem Vorbild. Die Kirche ist Teil eines um den weiten Kirchplatz gruppierten Gemeindezentrums. Die waghalsige Betonkonstruktion des Daches ruht nur auf den Eckpunkten und öffnet sich mit neun Meter hohen Dreiecksfenstern wie ein Zelt in die vier Himmelsrichtungen (Verglasung Ursula Hirsch). Den Wechsel vom Alltag in den Festraum vollzieht der Gottesdienstbesucher durch Betreten einer Vorhalle, deren Betonglaswand mit fröhlich-farbigen „Glasklunkern“ durchsetzt ist.

Als Gegenentwurf mag das neue Melanchthon-Gemeindezentrum anzusehen sein. Als Ergebnis eines 1964 durchgeführten Architektenwettbewerbs entstand 1970-72 ein Mehrzweckgebäude mit Kindergarten als Sichtbetonbau nach Plänen von Peter Voigtländer. Voigtländer war mit nur 37 Jahren tödlich auf der Autobahn verunglückt, so dass Jörg-D. Ohm seinen Entwurf aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten verspätet und in stark reduzierter Form ausführte. Die gestaffelten kubischen Baukörper wirken wie eine Großskulptur, in der Innen- und Außenraum sinnfällig miteinander verknüpft sind. So öffnet sich der Kirchensaal mit seinem beweglichen und dadurch wohnlichen Mobiliar hinter dem Altartisch zum schmalen Innenhof, der mit einer von Otto Herbert Hajek gestalteten Reliefwand („Begegnung“) zur Straße hin abgeschlossen wird. Auf diese Weise befreit sich die sakrale Baukunst endgültig aus den „heiligen Hallen“ und strahlt farbenfroh aus in den pulsierenden öffentlichen Stadtraum, als Stätte der Begegnung in einer urbanisierten Welt.

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